Am 02.05.2020 wird das Bürger*innen-Asyl Aachen eine Kundgebung abhalten, um auf die katastrophale Situation an den EU-Außengrenzen aufmerksam zu machen. Die Kundgebung startet um 14 Uhr am Aachener Markt. Seit Jahren ist die durch die unmenschliche Migrationspolitik der EU verursachte Situation an den EU-Außengrenzen unerträglich. Durch die aktuelle COVID-19-Pandemie wird diese auf mehreren Ebenen noch verschärft.
Die Situation in den mittlerweile unter Quarantäne stehenden griechischen Lagern hat sich enorm zugespitzt. Das bekannteste Beispiel ist mit Sicherheit Moria auf Lesbos, dort leben 20.000 Menschen in einem für 3.000 angelegten Lager. Die Lebensbedingungen sind unerträglich: Es gibt zu wenig Platz, zu wenig Essen, kaum Wasser, wenig bis keine gesundheitliche Versorgung. Krankheiten wie COVID-19 können sich hier nahezu ungehindert ausbreiten. Trotz bestürzter Lippenbekenntnisse verschiedener Politiker*innen hat Deutschland bisher nur 47 minderjährige Geflüchtete aus Moria aufgenommen. Ein Armutszeugnis für eines der reichsten Länder der Welt.
Doch nicht nur in Griechenland, in der ganzen EU leben Geflüchtete in Lagern und Sammelunterkünften zurzeit in einer besonders prekären Situation. Ein Beispiel sind die – obwohl aus der öffentlichen Wahr-nehmung fast verschwunden – Zeltcamps von Geflüchteten in Calais und Grande-Synthe bei Dunkerque, in denen bei Beginn der Krise trotz der Winterzeit etwa 1.500 Menschen leben, die nun mit einer enormen Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen sowie gewaltsamen Übergriffen der Polizei zu kämpfen haben.(i)
Auch in Deutschland haben bereits verschiedene Organisationen darauf hingewiesen, dass die Unterbringung in zu engen Sammelunterkünften sofort beendet werden muss.(ii) Ein Skandal ist auch die Inhaftierung von Geflüchteten in der als Abschiebegefängnis genutzten JVA Büren – nicht mit dem Ziel der Abschiebung, sondern allein aufgrund des Infektionsschutzgesetzes. Der dortige Verein ‚Hilfe für Menschen in Abschiebehaft‘ findet die Inhaftierung von Flüchtlingen nach dem IfSG in einem Abschiebegefängnis rechtlich sehr bedenklich und für die Betroffenen äußerst diskriminierend.(iii)
Zusätzlich dazu findet zurzeit trotz völker- und menschenrechtlicher Verpflichtungen keine Seenotrettung im Mittelmeer statt, Malta und Italien haben die ihre eingestellt.(iv) Dass diese Politik tödlich ist, zeigte sich am Osterwochenende. Der zivilgesellschaftlichen Organisation ‚AlarmPhone‘ wurde die Position eines in Seenot geratenen Bootes mit 63 Menschen an Bord gemeldet. Obwohl sich das Boot in der maltesischen Rettungszone befand und verschiedene Behörden unterrichtet waren, wurden die Menschen nicht gerettet. Stattdessen wurden sie nach sechs Tagen von einem libyschen Fischerboot offenbar heimlich nach Libyen zurückgebracht. Zwölf der 63 Menschen waren zu dem Zeitpunkt bereits tot.(v) Der Fall ist nur einer von mehreren massiven Verletzungen menschenrechtlicher Normen auf hoher See, die allein seit dem Beginn der Corona-Krise von ‚AlarmPhone‘ präzise dokumentiert und veröffentlicht wurden.
Private Seenotrettungsorganisationen wurden indes vom deutschen Innenministerium aufgefordert, Rettungen einzustellen, da es aus Kapazitätsgründen zurzeit keine sicheren EU-Häfen gebe. Die Organisation ‚Sea-Eye‘ wies dies entschlossen zurück.(vi) Da sich aber ihre Crew seit dem letzten Rettungseinsatz in Quarantäne befindet, kann nun auch das letzte Rettungsschiff ‚Alan Kurdi‘ vorerst nicht auslaufen.(vii)
Gerade während Pandemie, die die Situation für Menschen auf der Flucht drastisch verschärft, ist es für uns eine Pflicht, gegen diese untragbaren Zustände zu protestieren. Die Corona-Krise darf nicht zur Begründung dafür werden, dass Menschen an anderer Stelle unmenschlichen Zuständen oder gar dem Tod überlassen werden. Wir fordern deshalb:
– Die Schließung aller Lager und die dezentrale Unterbringung der geflüchteten Menschen auf freiwilliger Basis in menschenwürdigen Unterkünften wie z.B. ungenutzten Hotels, Ferienwohnungen oder leerstehenden Häusern!
– Den sofortigen Stopp aller Abschiebungen!
– Die Legalisierung für alle illegalisiert lebenden Menschen und damit Zugang zu sicherer Unterbringung und Gesundheitsversorgung!
– Wiederaufnahme der Seenotrettung!
– Das Ende der tödlichen Außengrenz- und auf Abwehr gerichteten Migrationspolitik der EU!
(i) https://calais.bordermonitoring.eu, Meldungen vom 26./29. März 2020 und vom 4./10./14./19./24./27./28. April 2020.
(ii) https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2020-03-19-Offener-Brief-Coronavirus-zwingt-zum-Handeln-zum-Schutz-von-Gefl%C3%BCchteten.pdf , https://www.proasyl.de/news/covid-19-und-fluechtlingspolitik-was-deutschland-jetzt-machen-muss/
(iii) http://www.gegenabschiebehaft.de/hfmia/pressealias/pressemitteilungen/corona-fluechtlingshaftanstalt-bue-ren.html
(iv) https://taz.de/Keine-Rettung-im-Mittelmeer/!5677963/
(v) https://alarmphone.org/en/2020/04/16/twelve-deaths-and-a-secret-push-back-to-libya/?post_type_re-lease_type=post, https://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlingsdrama-im-mittelmeer-europas-toedliche-verzoegerungstaktik-a-4ce6655f-9d49-43a8-b360-b6e44585d414
(vi) https://sea-eye.org/offener-brief-an-innenminister-seehofer/
(vii) https://taz.de/Seenotrettung-im-Mittelmeer/!5678594/